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Samstag, 3. März 2018

psychisch krank - meine Geschichte in der Psychiatrie

Gefangen im eigenen Kopf 


Also, ehrlich gesagt weiss ich nicht wirklich, wie ich anfangen soll.
Vielleicht fange ich damit an, wieso ich das alles schreibe.
Das hier sollte der erste Post sein von einer Serie, die ich über psychische Gesundheit/ psychische Erkrankungen schreiben will.
Einerseits will ich mit dieser Serie mit Vorurteilen aufräumen. Vorurteile mir gegenüber, dem Patient, und der psychiatrischen Klinik gegenüber.
Ich möchte auch informieren, weil ich der festen Überzeugung bin, dass das bereits der erste Schritt zur Besserung sein kann.
Zusätzlich will ich das ganze Durcheinander in meinem Kopf etwas sortieren, und ich hoffe, dass mir das Aufschreiben dabei helfen kann.

Psychiatrieaufenthalte in der Schweiz

Im letzten Jahr sind sehr wenige Blogeinträge von Liv und mir gekommen. Diejenigen die geschrieben und veröffentlicht wurden waren stets von Liv, egal ob mein Name darunter stand.
Im Jahr 2016 habe ich meinen letzten Eintrag geschrieben namens Queer als Jugendliche in Zürich.
Darin habe ich kurz erwähnt, dass ich in eine Psychiatrie eingetreten bin, doch seitdem hat sich viel verändert.
Hier die Zusammenfassung:
Im Juli 2016 trat ich erstmals in eine Akutstation für Jugendliche ein. Der Eintritt war damals halbfreiwillig. Zwei Monate davor war ich wegen eines Suizid-Versuches von der Schule dispensiert worden. Mir fehlte also jegliche Tagesstruktur.
Die Schule machte Druck auf mich mit Aussagen, dass ich nicht zurückdürfe, wenn ich mich nicht stabilisieren würde und die Schulpsychologin, mit der ich noch nie zuvor geredet hatte, und die mich eigentlich gar nicht kannte, schlug vor, dass ich in eine psychiatrische Klinik gehen sollte.
Ich blieb etwas mehr als drei Monaten auf dieser Akutstation. Danach wurde ich entlassen, bzw rausgeworfen. Der Grund: Trotz Hospitalisierung verschlechterte sich mein Zustand fortlaufend. Die Klinik hoffte, dass sich meine "gesunden Anteile" zuhause wieder verbessern würden. Meine Suizidalität und meine Hilferufe wurden ignoriert und ohne einen Krisenplan oder Wohntraining wurde ich quasi vor die Tür gestellt. Als Wohntraining bezeichnet man zum Beispiel, wenn man über das Wochenende nach Hause darf, um wieder zu lernen sich im alltäglichen Leben zurechtzufinden und den Austritt zu erleichtern.
Der Schuss ging leider gewaltig in die Hose.
Nur drei Tage später kam es zu einem weiteren Suizidversuch, worauf ich eingewiesen wurde. Nach zwei Wochen und unzähligen Lügen später durfte ich wieder nach Hause gehen. Nochmals zwei Wochen darauf wurde ich abermals gegen meinen Willen eingewiesen. Ich dachte, dass ich nach einigen Tagen wieder austreten könnte, um es endgültig zu beenden. Ich irrte mich gewaltig. Elf Monate blieb ich auf dieser Akutstation. Die meiste Zeit hatte ich 1:1 Betreuung. Es war also ständig jemand bei mir, egal ob ich schlief, auf dem WC war oder duschen wollte. Das war so weil es etliche "Vorfälle" gab. Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Als ich dann nach einem weiteren Vorfall eine ganze Woche im Isolationszimmer landete, verlangte ich schliesslich einen Klinikwechsel.
Zwei bis drei Monate darauf konnte ich zurück auf meine erste Station wechseln. Dort blieb ich ungefähr zwei Monate, aber es waren sehr schlechte Monate. Verzweifelt versuchte ich mir auch dort das Leben zu nehmen, doch aufgrund meiner begrenzten Möglichkeiten, einem aufmerksamen Team und einer engmaschigen Betreuung gelang, wie auch schon auf der letzten Station, keiner der Suizid-Versuche. Viele Tage verbrachte ich im geschlossenen Iso. Schliesslich entschied sich die Klinik, dass sie mich nicht mehr tragen konnte/wollte. Daraufhin kam ich auf eine Akutstation für Erwachsene, spezialisiert auf Persönlichkeitsstörungen.

Endlich wieder mehr Freiheit

Dort bekam ich erstmals nach über einem Jahr Einzelausgang und konnte endlich wieder mein Zuhause besuchen. Jetzt ist März und ich bin seit mehr als einer Woche ausgetreten:)
Psychisch geht es mir nicht wirklich besser, aber ich habe seit Neujahr keinen Suizidversuch mehr gemacht, obwohl ich oft nahe daran gewesen bin. Darauf bin ich ziemlich stolz.
Es war auf jeden Fall eine sehr schmerzhafte und schwierige Zeit für mich, in der ich viel verloren und verpasst habe. So kann ich nun auf Grund fehlender Konzentration, null Belastungstoleranz und panischer Angst vor Leistungsdruck das Gymnasium nicht mehr besuchen. Auch für eine Lehre bin ich zu instabil. Deshalb habe ich mich bei der IV angemeldet. Nicht für die Rente, sondern für die Unterstützung zur Berufsintegration. Ich bin immer noch sehr hoffnungslos, daher sicher auch ein sehr schlechtes Vorbild, aber ich klammere mich an Dingen fest, die mir immer noch etwas bedeuten. An meiner Familie, meiner besten Freundin, und auch ein wenig an meinem Wunsch nach Japan in die Ferien zu gehen.

Auf jeden Fall wünsche ich euch ganz viel Kraft, Mut und Lebenswille. Schämt euch nicht, wenn ihr merkt, dass ihr Hilfe braucht. Es ist immer besser früher Hilfe anzunehmen, als wenn es (fast) zu spät ist. Und ich weiss, dass es einem nicht unbedingt hilft die ganze Zeit zu hören, dass es wieder besser wird, und auch ich glaube meist nicht daran. Trotzdem stimmt es. Wenn es nach unten gehen kann, dann kann es auch wieder nach oben gehen.
Liebe Grüsse

Dina